Die 8 Make it Stick Strategien
Kernprinzip
Effortful Learning ist effektiver—Anstrengung beim Lernen ist ein Feature, nicht ein Bug. Schwieriges Lernen führt zu tieferem, dauerhafterem Wissen (Brown, III, and McDaniel 2014).
Die 8 bewährten Lernstrategien
1. Abrufpraxis (Retrieval Practice)
Prinzip: Aktives Erinnern statt passives Wiederlesen
Warum effektiv?
- Jeder Abruf stärkt die neuronalen Verbindungen
- “Testing Effect”: Abrufen verstärkt Gedächtnis mehr als erneutes Studieren
Praktische Umsetzung:
- Selbsttests, Karteikarten, Übungsfragen
- Ohne Notizen erklären können
- Frequent low-stakes quizzes
2. Verteiltes Lernen (Spacing)
Prinzip: Über Zeit verteilen statt Pauken
Warum effektiv?
- Grössere Anstrengung nach Vergessen als Lernhilfe
- Gegen die Intuition: Schwieriger → Besser für Langzeitretention (Konsolidierung)
Praktische Umsetzung:
- Warten bis Vergessen eingesetzt hat, dann wiederholen
- Verteilte Übung über Wochen/Monate
- Spaced Repetition Systeme (z.B. Anki)
3. Abwechslung (Interleaving)
Prinzip: Verschiedene Aufgaben/Themen mischen statt blockweise üben
Warum effektiv?
- Trainiert flexible Anwendung
- Erhöht Anstrengung → Besserer Transfer zwischen Konzepten
Praktische Umsetzung:
- Verschiedene Aufgabentypen mischen
- Beispiel Mathe: Addition, Multiplikation, Brüche durchmischen
- Nicht alle gleichen Aufgaben hintereinander
4. Variation
Prinzip: In unterschiedlichen Kontexten üben
Warum effektiv?
- Fördert Transfer auf neue Situationen
- Macht Wissen weniger abhängig vom ursprünglichen Lernkontext
Praktische Umsetzung:
- Verschiedene Beispiele, Umgebungen, Anwendungen
- Gleiche Konzepte in unterschiedlichen Situationen
- Vielfältige Übungsformate
5. Wünschenswerte Schwierigkeiten (Desirable Difficulties)
Prinzip: Fehler, Anstrengung und Herausforderungen nutzen
Warum effektiv?
- Vertieft Verständnis durch kognitive Anstrengung
- Kurzfristig schwieriger, langfristig mehr Retention
Praktische Umsetzung:
- Tests ohne Ankündigung
- Variation in der Übung
- Forcing functions1 die zum Nachdenken zwingen
- Erst raten, dann lernen
6. Verstehen vs. Vertrautheit
Prinzip: In eigenen Worten erklären = echtes Verständnis
Warum effektiv?
- Unterscheidet echtes Wissen von Fluency-Illusion
- Zwingt zu aktiver Verarbeitung und Verknüpfung
Praktische Umsetzung:
- Erklären, als ob man es jemand anderem beibringt
- Verbindungen zu Vorwissen herstellen
- Selbst Antworten generieren vor dem Lernen der Lösung
7. Feedback & Reflexion
Prinzip: Korrektur und bewusstes Nachdenken
Warum effektiv?
- Korrektes Feedback sorgt dafür, dass richtige Informationen verankert werden
- Reflexion fördert Metakognition und Selbstregulation
Praktische Umsetzung:
- Nach Lernsitzung fragen: “Was habe ich gelernt?”
- Über Lernprozess und -strategien reflektieren
- Regelmässiges, konstruktives Feedback holen
8. Anwendung
Prinzip: Wissen in verschiedenen Kontexten einsetzen
Warum effektiv?
- Entwickelt Transferfähigkeit
- Macht abstraktes Wissen konkret anwendbar
Praktische Umsetzung:
- Real-world Probleme lösen
- Wissen in neuen Situationen anwenden
- Von Theorie zur Praxis
KI-Tool Design Prinzipien
✅ Gute KI-Unterstützung:
- Fördert die 8 Strategien
- Erhält lernrelevante Anstrengung
- Unterstützt ohne zu ersetzen
- Personalisiert den Lernprozess
❌ Problematische KI-Nutzung:
- Eliminiert kognitive Anstrengung
- Übernimmt das Denken
- Erzeugt Illusion of Knowing
- Macht Lernen nur einfacher, nicht besser
Leitfragen für Agent-Entwicklung
- Welche der 8 Strategien wird gefördert?
- Was tut der Agent? Was tut der Lernende?
- Bleibt die gewünschte Schwierigkeit erhalten?
- Macht der Agent das Lernen besser oder nur einfacher?
- Wie wird echter Lernfortschritt messbar?
References
Footnotes
Forcing Functions sind Design-Entscheidungen oder Einschränkungen, die bestimmte Verhaltensweisen erzwingen und unerwünschte Aktionen verhindern. Prinzip: Das System macht es unmöglich, einen Fehler zu machen.↩︎
Productive Struggle implementiert mehrere der 8 Strategien gleichzeitig: Retrieval Practice, Elaboration, Generation, Reflection.↩︎
Eine Methode zum Test des eigenen Verständnisses, benannt nach dem Physiker Richard Feynman. Die Technik hat vier Schritte: (1) Wähle ein Konzept, (2) Erkläre es in einfachster Sprache, als würdest du es einem Kind beibringen, (3) Identifiziere Lücken und kehre zum Quellmaterial zurück, (4) Vereinfache und verwende Analogien. Der Kern: Wenn du etwas nicht einfach erklären kannst, verstehst du es nicht wirklich. Die Technik funktioniert als Forcing Function—sie zwingt zur Übersetzung von Fachwissen in Alltagssprache und deckt dabei Verständnislücken schonungslos auf.↩︎